Interviews – Antwort auf Ihre öffentliche Kritik

Antwort auf Ihre öffentliche Kritik

Liebes Team von 4Pfoten,

wie Sie auf der Internetseite und im facebook-Kanal der SUPERKÜHE sehen können, haben wir ein großes Interesse daran, auch die kontroversen Aspekte unseres Themas zu diskutieren.  Deshalb haben wir vor Projektbeginn auch gerne Ihren Vorschlag aufgegriffen, in ein Gespräch einzutreten, um auf Ihre Sichtweisen besser eingehen zu können. Leider hat die von Ihnen benannte Expertin jedoch Ende August unser Angebot ausgeschlagen, ihre Expertise in das Projekt einzubringen.

Lassen Sie uns trotzdem gerne im Gespräch bleiben. Aus Gründen der Transparenz würden wir es dabei begrüßen, wenn Sie Ihr Einverständnis gäben, unsere Korrespondenz z.B. auf der Website zu veröffentlichen, damit die Argumentation die Debatte zum Projekt SUPERKÜHE bereichern kann. Bitte teilen Sie uns mit, ob Sie damit einverstanden sind.

Zu der von Ihnen ausgeführten Kritik möchten wir weiter unten gerne ausführlich eingehen.
Zunächst jedoch einige allgemeine Anmerkungen:

Es handelt sich bei den SUPERKÜHEN nicht um eine „Sendereihe“, wie Sie schreiben, sondern um  ein vierwöchiges Projekt im Netz -eine Langzeitbeobachtung, deren Inhalte in erster Linie online zugänglich sind. Es wird allerdings flankiert von diversen WDR-Sendungen im Radio und im Fernsehen. Dort werden Inhalte zum Teil vertieft und ergänzt (z.B. wissenschaftliche und fachliche Hintergründe in der WDR 5 Sendereihe „Leonardo“ oder in „Quarks“ im WDR Fernsehen). Sie werden dort thematische Erweiterungen finden, die Sie bei den SUPERKÜHEN selbst vielleicht vermissen.

Die SUPERKÜHE sind eher ein Reportage-Format; wir versuchen, die User möglichst nah mit der  Realität in Kontakt zu bringen und  Ereignisse und sogar Daten unmittelbar abzubilden. Da, wo die Geschehnisse Fragen aufwerfen, liefern wir Hintergründe z.B. im Chatbot oder in den so genannten Tagebüchern der Superkühe. Wir vermeiden es bewusst, Wertungen vorzunehmen und wir konzentrieren uns auf die ausgewählten Schauplätze und Protagonisten. Wir wollen und können nicht auf alle ökonomischen und ethischen Aspekte des Gesamtthemas eingehen, auch wenn Sie sich das mit Ihrem speziellen Blick auf das Thema vielleicht wünschen.

In Ihrem Schreiben geben Sie an, dass Sie in unseren Inhalten „Falschinformationen“ und „methodische Fehler“ ausgemacht hätten. Ich wäre Ihnen  dankbar, wenn Sie dies belegen könnten, damit wir ggf. Korrekturen vornehmen können.

Zu konkreteren Hinweisen und Fragen in Ihrem Schreiben möchte ich Ihnen gern folgendes erläutern:

1. Sie kritisieren, wir würden aus Sensordaten wie dem pH Wert Aussagen ableiten,  die über das physische Wohlbefinden des Tieres hinausgehen.
Im Rahmen des Projekts SUPERKÜHE nutzen wir Sensoren und von diesen produzierte Daten, die bereits heute auf vielen Höfen eingesetzt werden, um das körperliche Wohlbefinden der Tiere zu überwachen und im besten Fall zu verbessern.  Warum das für die Tiere gut ist, erklärt unter anderem der Veterinärmediziner Prof. Dr. Thomas Blaha, Vorsitzender der Tierärztlichen Vereinigung für Tierschutz, in diesem Interview auf unserer Website: https://superkuehe.wdr.de/zum-projekt/interviews/blahe/. Worüber diese Daten Aufschlüsse erlauben, erläutern wir ebenfalls regelmäßig – zusammengefasst auf einen Blick können das am besten den Datenanalysen entnehmen, die wir regelmäßig für die drei Kühe angefertigt haben: https://superkuehe.wdr.de/emma/mein-tagebuch/7116, https://superkuehe.wdr.de/emma/mein-tagebuch/6836, https://superkuehe.wdr.de/uschi/mein-tagebuch/7115, https://superkuehe.wdr.de/uschi/mein-tagebuch/6843,https://superkuehe.wdr.de/connie/mein-tagebuch/7090, https://superkuehe.wdr.de/connie/mein-tagebuch/6794).
Ein Cortisol-Test zur Stressmessung bei den Tieren wäre auch wünschenswert, da haben Sie Recht. Dazu waren wir im Austausch mit verschiedenen Experten (u.a. mit den Forschern vom Institut für die Biologie landwirtschaftlicher Nutztiere in Dummerstorf), mussten letztendlich aber aus praktischen Gründen auf den Einsatz dieser Technologie verzichten, da sie sich noch im Versuchsstadium befindet und noch keine validen Aussagen zulassen.  Eine Herzfrequenzmessung als Stress-Indikator hat im Rahmen unseres Projekts stattgefunden, wie Sie hier nachlesen können: https://superkuehe.wdr.de/emma/mein-tagebuch/6996, https://superkuehe.wdr.de/emma/mein-tagebuch/7004, https://superkuehe.wdr.de/emma/mein-tagebuch/7012, https://superkuehe.wdr.de/emma/mein-tagebuch/7124.
Wir haben uns aber nach Rücksprache mit Wissenschaftlern wie Landwirten dagegen entschieden, einen solchen Herzfrequenz-Sensor während des Projekts dauerhaft einzusetzen, weil dieser Sensor die Kuh in ihrem Alltag zu sehr beeinträchtigen würde.
Zusammenfassend lässt sich zum Sensoreneinsatz sagen, dass wir unseren Nutzern im Rahmen der „Superkühe“ mit Hilfe der von uns eingesetzten Sensoren einen Einblick in das gesundheitliche Wohlbefinden und gleichzeitig ins moderne Herdenmanagement gegegen haben, wie das zuvor noch nicht geschehen war. Worüber die von uns erhobenen Daten Aufschluss zulassen, haben wir an zahlreichen Stellen erläutert.

2. Zu Ihrer Kritik rund um die Enthornungspraxis: Das Projekt Superkühe stellt dar, wie in der Regel bei der Enthornung von Kälbern vorgegangen wird. Ihre Information, die Enthornung sei wegen der zu engen Aufstallung der Tiere notwendig, stimmt so nicht. Im Gegenteil: So ist in der engen Anbindestall-Haltung eine Enthornung gerade deswegen nicht nötig, weil die Tiere dort kaum die  Möglichkeit haben, sich zu bewegen.  Erst durch die Haltung im Laufstall / auf der Weide wächst das Risiko, dass sich die Kühe gegenseitig oder dass sie Menschen verletzen. Zusätzlich zu dem Video über die Enthornungspraxis auf dem Siebers-Hof, auf das Sie sich beziehen (und in dem ein Tierarzt seine Einschätzung im Interview zum Ausdruck bringt, die wir uns aber nicht zu eigen machen), haben wir auch dargestellt, wie, aus welchen Gründen und in welchen Fällen das Enthornen auf dem Biohof und auf dem konventionellen Hof in Lohmar praktiziert wird. Dabei kam auch der Landwirt Thomas Höck zu Wort, der ganz persönlich zum Ausdruck bringt, wie problematisch er die Enthornung sieht (zum Beispiel hier:https://superkuehe.wdr.de/uschi/mein-tagebuch/7003, https://superkuehe.wdr.de/uschi/mein-tagebuch/7035,https://superkuehe.wdr.de/emma/mein-tagebuch/7044, https://superkuehe.wdr.de/emma/mein-tagebuch/7052). Wenn Sie das  nachlesen, werden Sie sehen, dass sowohl die kritische Position etwa des Tierschutzbundes und von Demeter als auch die gesetzliche Lage (die leider nicht eindeutig ist) aufbereitet werden, genauso wie der Trend zur Hornlos-Zucht, die im Erfolgsfall eine Enthornung unnötig macht.
Dazu zitieren wir gern  aus unserer Antwort an Sie auf Ihre Mail vom 20.9.: „Im Rahmen des Projekts „Superkühe“ haben wir wahrheitsgetreu berichtet, wie die Enthornungs-Praxis auf einem der von uns begleiteten Höfe aussieht. Dabei wurden nach unserer Beobachtung die in NRW gültigen Vorschriften eingehalten, denen zufolge eine Enthornung bei Kälbern unter sechs Wochen unter Beruhigungsmittel- und Schmerzmittelgabe zu erfolgen hat, so wie es im Film gezeigt wurde. Das bundesweit gültige Tierschutzgesetz ist weniger explizit, demnach müssen „ohne Betäubung alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden müssen, um die Schmerzen oder Leiden von uns Tieren zu vermindern“. Auf diese Gesetzeslage sind wir im Tagebuch (https://superkuehe.wdr.de/connie/mein-tagebuch/6970) und in den Kommentaren unter dem entsprechenden Facebook-Post eingegangen. Die Einschätzung des anwesenden Tierarztes, der die Enthornung nicht selbst vorgenommen hat, haben wir dabei als seine fachliche Meinung wiedergegeben. Dass es  Gegenmeinungen gibt, haben wir ebenfalls im Tagebuch dokumentiert.“

3. Zum Thema Stall vs. Weide: Durch die Auswahl der drei Superkühe (Connie auf dem Großhof, die keinen Werdegang hat; Bio-Kuh Uschi mit regelmäßigem Werdegang; und die konventionell gehaltene Emma, die an sechs Tagen in der Woche auf die Weide geht, was auch an einer Auflage der Molkerei liegt, die die Milch als Weidemilch verkauft) war die Versuchsanordnung von vorneherein darauf angelegt, weitere Anhaltspunkte für diese Diskussion zu finden. Diese verschiedenen Haltungsformen wurden im Rahmen des Projekts ausführlich dokumentiert, das Thema wird auch in der laufenden Woche noch einmal aufgegriffen. Am Ende wird wahrscheinlich festzustellen sein, dass sich nicht pauschal sagen lässt, dass Weidehaltung für die Kuh besser ist; es kommt immer darauf auf an, wie diese Weide oder der Stall beschaffen ist. Der Gesundheitszustand der drei Kühe, auch im Hinblick auf die Klauen, die ein besonders gutes Indiz für die Bodenbeschaffenheit sind, unterscheidet sich gerade nicht.

Unterschiede konnten wir – wenig überraschend – im Hinblick auf Aktivitätslevel und Schrittzahl feststellen und haben das auch dokumentiert.

4. Zum Thema Kälbertrennung: An keiner Stelle wird die Trennung von Kalb und Kuh als „natürlich“ dargestellt, wie Sie kritisieren. Im Gegenteil, in jedem der betreffenden Texte wird darauf hingewiesen, dass es sich um eine Entscheidung der Landwirte handelt, die zum einen auf gesundheitlichen Gesichtspunkten basiert, zum anderen auf der Produktionslogik von Milchviehbetrieben. Dass über alternative Haltungsformen (die selten sind) nicht aufgeklärt wird, ist ebenfalls nicht richtig, siehe:  https://superkuehe.wdr.de/connie/mein-tagebuch/6618   und  https://superkuehe.wdr.de/emma/mein-tagebuch/6572

5.  Ihre Auffassung, dass die hohe Milchleistung von Kühen völlig unkritisch dargestellt werde, teilen wir nicht. Sie wird allerdings als Realität in der heutigen Landwirtschaft – auch in Bio-Betrieben -dokumentiert. Auch die Tatsache, dass Milchkühe im Durchschnitt rund fünf Jahre alt werden, finden Sie an zahlreichen Stellen in der Berichterstattung wieder. Genauso werden die zahlreichen Krankheiten, die die Milchkühe befallen können, an vielen Stellen thematisiert. Hier verzichten wir auf Links, weil die Liste zu lang würde – denn dabei handelt es sich um ein Kernthema des  Projekts SUPERKÜHE: Wir zeigen, unter welchen Bedingungen heute in unserem Land Milch produziert wird, damit sich der Verbraucher selbst ein Bild davon machen kann und entscheiden kann, wie er dazu stehen möchte.

6. Zu Ihrer Kritik an den Experten: Gerne würden wir darauf eingehen, wissen allerdings nicht, auf wen Sie sich beziehen. Fachleute wie Ute Müller (https://superkuehe.wdr.de/zum-projekt/interviews/mueller/ – siehe auch Links oben), Thomas Blaha (https://superkuehe.wdr.de/zum-projekt/interviews/blahe/) , Georg Eckert (https://superkuehe.wdr.de/zum-projekt/interviews/eckert/), Herwig Grimm (https://superkuehe.wdr.de/zum-projekt/interviews/grimm/) , Jürgen Hummel (https://superkuehe.wdr.de/zum-projekt/interviews/hummel/) oder Matthias Gauly (https://superkuehe.wdr.de/uschi/mein-tagebuch/6691) würden wir nicht als Laien bezeichnen.

Anders als Sie in Ihrer Arbeit für die Organisation Vier Pfoten verfolgen wir mit den SUPERKÜHEN nicht das – selbstverständlich legitime – Ziel, Einfluss zu nehmen auf die Rahmenbedingungen der intensiven Tierhaltung oder auf die Praktiken in der Milchproduktion. Uns kommt es darauf an, unseren Usern einen informativen und interessanten Zugang zur Realität anzubieten. Dabei müssen wir uns auf den Ausschnitt beschränken, den wir ausgewählt haben: auf die 3 Kühe auf den 3 Betrieben. Dass es weitere, alternative Haltungssysteme gibt, ist uns bekannt. Wir können darauf nur am Rande eingehen oder ggf. in künftigen Phasen des Projekts, wenn es dazu kommen sollte.

Mit freundlichen Grüßen

Das Superkühe-Team