Interviews – Interview Prof. Dr. Hummel

„Ein Pansen-Sensor kann helfen, Krankheiten vorzubeugen“

Prof. Dr. Jürgen Hummel erforscht in Göttingen den Stoffwechsel von Milchkühen – auch mit Hilfe von Pansen-Sensoren.

SUPERKÜHE: Herr Hummel, wie wichtig ist Sensortechnologie in der Milchviehwirtschaft heute?
Jürgen Hummel: Einzelne Tiere mithilfe von Sensoren zu erkennen, etwa am Futterautomaten, ist Standard. Das macht das Management einer Herde einfacher. Systeme, die automatisch Daten vom Tier erfassen, zum Beispiel Aktivität, Temperatur oder Kauverhalten sind praxisreif, aber in Deutschland noch nicht umfangreich im Einsatz. Boli zur Messung des Pansen-pH-Werts sind besonders anspruchsvolle Technik, die aber Daten liefert, an die man auf andere Weise nicht herankommt und die für die Fütterung und Haltung der Tiere große Bedeutung haben.

Wie wichtig wird Sensortechnik werden?
Bei größeren Herden mit hohen Milchleistungen wird Sensortechnik sicher zum Einsatz kommen. Der Faktor Mensch bleibt dabei aber ähnlich wichtig wie bisher: die Betriebsleitung muss Freude an der Auswertung der Daten haben. Beim pH-Bolus kann ich mir vorstellen, dass ein Betriebsleiter seine Rationsplanung so immer mal wieder an einigen Tieren absichern und überprüfen will. Für uns Forscher ist es eine brillante Technik, weil wir so die Chance haben, einen wichtigen Wert sehr genau zu erfassen.

Und so zum Wohlbefinden der Tiere beitragen?
Das Verhalten der Tiere lässt sich so 24 Stunden überwachen, und über Veränderungen lässt sich ein Problem früh erkennen, vielleicht noch bevor es akut wird. Das ersetzt nicht die guten Augen der Mitarbeiter, den „Kuhsinn“, ergänzt diesen aber mit wichtigen Informationen. So kann man etwa lange nicht sehen, dass eine falsche Fütterung vorliegt und die Verdauung des Tieres leidet. Der pH-Bolus kann helfen, Krankheiten vorzubeugen.

Nehmen Kühe durch Sensoren, etwa am Fuß oder im Pansen, Schaden?
Wir können sie natürlich nicht direkt fragen, aber objektiv haben wir bei den Tieren keine Anzeichen dafür, dass sie die Sensoren stören, geschweige denn ihnen schaden. Ein Sensor-Bolus ist nicht größer oder schwerer als jene Magnete, die Tieren schon seit langem auf vielen Höfen eingeführt werden. Denn einen anderen Weg, sie davor zu bewahren, dass versehentlich gefressene Metallgegenstände sie von innen verletzen, gibt es nicht.

Was wäre die Alternative zur Sensortechnik?
Natürlich geht es auch ohne Sensortechnik; Milchkühe werden ja schon lange gehalten. Viele Untersuchungen zeigen, dass der Faktor Mensch den wichtigsten Einfluss auf die Güte der Haltung nimmt. Aber manches kann durch Sensortechnik greifbarer werden – und in manchen Fällen hoffentlich auch einfacher. Ein Vergleich, etwas hinkend zugegeben: Ein Auto können Sie auch ohne elektronische Sicherheitssysteme unfallfrei fahren, aber manchmal können diese Techniken eben doch praktisch und hilfreich sein.

Was halten Sie von den SUPERKÜHEN?
Es ist wichtig, dass wir alle möglichst viel über die Produktion unserer Lebensmittel erfahren, besonders von jenen aus tierischer Herkunft. Und so zumindest gedanklich daran teilhaben. Dazu können die SUPERKÜHE beitragen. Dafür ist auch der Einsatz von Sensortechnik sinnvoll und ethisch vertretbar, sofern das mit Bedacht geschieht. Für die drei Kühe mögen die Boli kurzfristig ungewohnt sein, aber bald nehmen sie das nicht mehr wahr. So wie uns das Schlucken einer Tablette ungewohnt sein mag, aber wir dann nichts mehr von ihr spüren.

Professor Dr. Jürgen Hummel leitet die Abteilung Wiederkäuerernährung am Department für Nutztierwissenschaften der Georg-August-Universität Göttingen. Er ist wissenschaftlicher Koordinator des großen Projekts „Indikuh“, bei dem u. a. das Friedrich-Loeffler-Institut für Tiergesundheit, die Landwirtschaftskammer Niedersachsen und die Universität Lüttich-Gembloux das Zusammenspiel von Futter und Milch erforschen. Dabei kommen auch Pansen-Sensoren zum Einsatz: http://www.uni-goettingen.de/de/492912.html